Während ich über die Ozeane des nahen Europas schipper, meinen Gedanken wieder freien Lauf lasse, wird mir jede Sekunde bewusster: Reisende sind womöglich noch „betroffener“ als jede andere Zielgruppe. Betroffen vom Syndrom: Fear of missing out, kurz FOMA.
Fear of missing out ist die Angst etwas verpassen zu können. Die Angst nicht dabei zu sein und die Schwierigkeit das gerade Erlebte zu genießen, weil man gleichzeitig wieder etwas anderes verpasst. Nein, wir können uns noch nicht teilen und überall gleichzeitig sein. Wahrscheinlich wären wir auch selbst dann noch nicht entspannt… und das Wörtchen „nein“, das bewusste Verzichten auf etwas, damit man den gerade erlebten Moment genießen kann, kennen wir ebenso nicht.
Warum kommen mir genau diese Gedanken in den Kopf, während ich meine erste Kreuzfahrt mache? Hier wird mit bewusster denn je, es gibt viele Reisende, die einfach alles mitnehmen wollen. Alles in Bezug auf z.B. die Sehenswürdigkeiten, die es in einer Destination zu sehen gibt. Und um ehrlich zu sein, meine ersten Reisen waren auch genau so. Ein Abhaken der Sehenswürdigkeiten, der Tempel, der besonderen Orte. Alles gesehen? Abgehakt. Nächster Ort. Meine geführte Chinarundreise vor ein paar Jahren war genauso. Die 5 Top Highlights der Stadt, einmal hin, durch und ab zur nächsten Stadt. Ja ich war in China, aber nur weil ich „alle“ Sehenswürdigkeiten gesehen habe, kenne ich noch lange nicht das Land und Leute.
In meinem Artikel Der wahre Schatz eines Landes habe ich darüber geschrieben was ein Land ausmacht. Es sind aus meiner Sicht nicht die besten Sehenswürdigkeiten und die Top Highlights einer Stadt, sondern es geht darum zu verstehen wie Land und Leute ticken wie das Essen schmeckt… All dies habe ich leider nicht wahrgenommen. Aber ich habe in jeder Stadt alle Top-Punkte mitgenommen, abgehakt. Schnell weiter zur nächsten Stadt, ich wollte soviel mitnehmen wie möglich. Quantität steht bei FOMA tatsächlich vor Qualität.
Zurück zu meiner Kreuzfahrt… Alles mitnehmen wollen bezieht sich auch auf das angebotene Speisen- und Getränkeangebot. Jeden Tag erlebe ich hier immer wieder ein Phänomen: die Menschen essen und essen. Aus Langeweile, aus dem Grund, dass es nun einfach gerade Essen gibt, seltener aber aus dem Grund Hunger zu haben. Hunger hat man selten auf einer Kreuzfahrt, denn man wird mit den leckersten Speisen der verschiedenen Bordküchen versorgt, zu jeder Tages- und fast auch Nachtzeit. Dies führt auch dazu kein Speiseangebot auszulassen, man könnte etwas verpassen, man könnte sein bereits ausgegebenes Geld nicht in vollem Maß wieder „reingeholt“ haben.
Das wiederum bringt mich zu dem nächsten Gedanken: das Überangebot an Essen führt dazu, dass Teller oftmals Unmengen tragen.. leider oftmals zu viel. So bleibt stets nicht nur das auf den Teller liegen, was man nicht mag, ja das kann vorkommen, sondern auch darüber hinaus das, wo die Augen einfach zu groß waren. Schade… hier könnte ich eine neue Diskussion aufmachen. Dies trifft übrigens nicht nur auf Kreuzfahrten, sondern auch auf jeglichen all inklusive Urlaub zu.
Während ich also vorbei an der französischen Küste schipper, denke ich weiter darüber nach… bin ich auch so? Habe ich auch Angst etwas zu verpassen? Hat mich FOMA auch schon gekriegt? Genieße ich den Augenblick oder bin ich gedanklich schon zwei Schritte weiter beim nächsten Event?
Wie sieht es bei euch aus? Horcht einmal in euch, genießt den Moment. Ich glaube das muss man wieder lernen, aber ich bin mit fast sicher, so lebt es sich in der schnelllebigen Zeit entspannter und vielleicht auch bewusster. Einfach mal durchatmen.